Im Gespräch mit Oxus Network

21. Januar 2022 Ariane Schoen Senior Impact Manager

INTERVIEW MIT FERNAND PILLONEL, VORSTANDSVORSITZENDER OXUS NETWORK

Das OXUS Network entstand aus Entwicklungsprogrammen der internationalen Nichtregierungsorganisation ACTED. Die Organisation nutzte Mikrofinanz als effizientes Instrument, um den Begünstigten zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu verhelfen. Im Jahr 2005 trennte ACTED seine Mikrofinanzaktivitäten von den Entwicklungs- und Hilfsprogrammen und gab damit den Anstoß zur Gründung des heutigen OXUS Network. Infolgedessen wurden zwischen 2005 und 2007 drei MFIs in Tadschikistan, Kirgisistan und Afghanistan gegründet. Invest in Visions vergibt Darlehen an die MFIs in Tadschikistan und Kirgisistan.

Wie schätzen Sie die derzeitige Situation in den Ländern des OXUS Networks (Tadschikistan, Kirgisistan und Afghanistan) im Vergleich zum Beginn der Pandemie vor mehr als anderthalb Jahren ein?

Heute ist die Lage in den drei Ländern relativ ruhig. Allerdings gibt es Befürchtungen hinsichtlich einer „vierten Welle“, die sich jedoch bis jetzt nicht bewahrheitet hat. Insgesamt sind die Corona-Einschränkungen in Zentralasien weniger streng als in Europa. Gleichzeitig sind die Kapazitäten des medizinischen Sektors begrenzt und die Regierungen können den von der Krise betroffenen Personen oder Unternehmen nur eingeschränkte finanzielle Unterstützung gewähren. Die Bevölkerung ist leider größtenteils auf sich selbst gestellt und verlässt sich auf informelle Solidaritätsnetze (Familien, Gemeinschaften). Die Verfügbarkeit von Impfstoffen ist begrenzt, was zu einer geringen Durchimpfungsrate in der Bevölkerung führt. Diese liegt in Kirgisistan bei 17 Prozent, in Tadschikistan bei 31 Prozent und in Afghanistan bei 11 Prozent.3 Afghanistan, das zwischen April und Mai 2020 von einer massiven Welle an Corona-Fällen heimgesucht wurde, sieht sich nun aufgrund von Dürreperioden und einem Zusammenbruch des Bankwesens sowie der Wirtschaftstätigkeit mit Ernährungsunsicherheit konfrontiert.

Fernand Pillonel

Wie haben sich die Maßnahmen der Bank während der Pandemie entwickelt, um auf die Herausforderungen zu reagieren?

Die drei OXUS-MFIs haben ihre Corona-Maßnahmen an die jeweilige Situation angepasst. Während der ersten Welle in Zentralasien (April 2020) ergriffen alle drei Mitgliedsorganisationen Sofortmaßnahmen zur Unterstützung ihrer Kund:innen und Mitarbeiter:innen. In Afghanistan, als die Preise für Masken auf dem Schwarzmarkt in die Höhe schossen, hat OXUS zusammen mit ACTED, unserem Anteilseigner, eine humanitäre Aktion ins Leben gerufen und innerhalb weniger Wochen 2,1 Millionen wiederverwendbare Masken hergestellt. Mehr als 700 afghanische Familien beteiligten sich an der Produktion. Da OXUS die Masken kostenlos in den Filialen verteilte, sank der Preis der Masken schnell. In Kirgisistan, wo zwischen März und Mai 2020 eine strenge Ausgangssperre galt, bot OXUS seinen Kund:innen eine dreimonatige tilgungsfreie Zeit für ihre Kredite an. Diese außergewöhnliche Maßnahme war dank der Unterstützung der Darlehensgeber von OXUS wie z. B. Invest in Visions möglich, die uns eine 7-monatige tilgungsfreie Zeit für alle Darlehensrückzahlungen gewährten. Heute ist die Zahl der Infektionen relativ gering. Dennoch halten die OXUS-MFIs die Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen sowie das Tragen von Masken aufrecht. Zudem fördern und erleichtern sie die Impfung des Personals. Für den Fall, dass die Zahl der Corona-Fälle in den kommenden Monaten erheblich ansteigen sollte, hat OXUS einen Notfallplan mit verschiedenen Maßnahmen vorbereitet, der Kreditbeschränkungen für bestimmte Wirtschaftszweige (wie Kleinbusse, Friseur-/Kosmetiksalons usw.), die Möglichkeit von Home Office für bestimmte Funktionen sowie digitale Rückzahlungen und Kreditanträge umfasst.

Fernand Pillonel

Ihre Bank war einer der ersten Partner von Invest in Visions. Können Sie sich daran erinnern, wie die Beziehung begann und wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelt hat?

Invest in Visions ist in der Tat ein langfristiger Partner von OXUS, mit dem ersten Besuch bei Oxus Tadschikistan (OTJ) im Februar 2012, gefolgt vom ersten Darlehen im April 2012. Die Unterstützung von Invest in Visions nahm stetig zu und erreichte drei Millionen US-Dollar im Jahr 2016, wodurch es zum größten Partner von OTJ wurde. Nach einer schweren Finanzkrise in Tadschikistan, die mit der Abwertung des russischen Rubels in den Jahren 2014-2015 zusammenhing, setzten die meisten internationalen Kreditgeber die gesamte neue Finanzierung für die Jahre 2015 und 2016 auf unbestimmte Zeit aus. Invest in Vision war der einzige Kreditgeber, der OTJ in dieser äußerst schwierigen Zeit mit neuen Mitteln unterstützte. Dadurch konnte OTJ seinen Betrieb und die Aktivitäten des Portfolios aufrechterhalten sowie in Abstimmung mit dem Anteilseigner von OXUS die Kreditwürdigkeit und die Rückzahlungsleistung der Organisation wahren. Diese Unterstützung ermöglichte es OTJ, das Vertrauen der anderen Kreditgeber zurückzugewinnen, die ihre Finanzierungsaktivitäten wieder aufnahmen. Dafür sind wir Invest in Visions sehr dankbar. Inzwischen hat OTJ seine Finanzierungsquellen diversifiziert, und Invest in Visions bleibt ein wichtiger Partner – seit 2017 auch in Kirgisistan.

Fernand Pillonel

Welche Perspektiven sehen Sie für die weitere Zusammenarbeit mit Invest in Visions?

Auf der Finanzierungsseite freuen wir uns auf die künftige Zusammenarbeit, um das Wachstum von OJT zu begleiten. Wir möchten auch in den kommenden Jahren in Kirgisistan wachsen, wofür zusätzliche Mittel erforderlich sein werden. Auch wenn die Rentabilitätsprofile der Oxus-Tochtergesellschaften nicht beeindruckend sind, haben wir uns hohe Ziele in Bezug auf die soziale Leistung, die Förderung des Unternehmertums von Frauen, den Kund:innenschutz und die Umweltverträglichkeit unserer Aktivitäten gesetzt. Damit haben wir die gleichen Ziele wie Invest in Visions. OXUS ist Teil der ACTED-Gruppe und in die „Triple Zero“-Strategie („Zero Poverty, Zero Emission, Zero Exclusion“) eingebunden, die im Einklang mit den SDGs darauf abzielt, die Kluft zwischen Armutsbekämpfung und Umweltschutz zu verringern. Viele dieser Initiativen könnten in Deutschland und Europa mit einem Partner wie Invest in Visions ausgebaut werden.

Fernand Pillonel

Sehr geehrter Herr Pillonel, wir danken Ihnen für das Gespräch.