Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie – Teil 1

27. Februar 2022 Moritz Isenmann Senior Impact and Sustainability Manager

Impact Investing und SDG 7

Der weltweite Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und nachhaltiger Energie ist eines der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) der Vereinten Nationen. Trotz substanzieller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist es fraglich, ob dieses Ziel bis 2030 erreicht werden kann. In diesem ersten Teil unserer neuen Reihe zu „Impact Investing und SDG 7“ möchten wir Einblicke in die Bedeutung von Elektrizität für die Entwicklung von Ländern und den derzeitigen Stand der globalen Elektrifizierung geben.

Energy is the golden thread that connects economic growth, social equity, and environmental sustainability.

Ban Ki-moon

Vor fast genau zehn Jahren brachte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die vielfältigen entwicklungsrelevanten Aspekte von Energie – verstanden hauptsächlich im Sinne des Zugangs von Haushalten zu Elektrizität – in einer Rede vor dem Center for Global Development in Washington auf den Punkt: „Energie ist der goldene Faden, der Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet“. Ban Ki-moon sprach aus eigener Erfahrung: Als kleiner Junge im Südkorea der Nachkriegszeit hatte er abends im schwachen Licht einer rußigen Öllampe für die Schule gelernt. Sein Heimatland und seine eigenen Perspektiven änderten sich, als seit den 1960er Jahren erschwingliche, moderne Energie in Südkorea Verbreitung fand. Der japanische Kolonialismus und der Koreakrieg (1950-53) hatten Südkorea in einem desolaten Zustand zurückgelassen, der dem vieler heutiger Entwicklungsländer gleicht. Erst unter der Regierung von General Park Chung Hee, der 1961 durch einen Militärputsch an die Macht gelangte, begann sich die Lage zu ändern. Verschiedene Initiativen der Regierung in Zusammenarbeit mit der staatlichen Korea Electricity Power Corporation (KEPCO) katapultierten die ländliche Elektrifizierungsrate nach 1965 in nur 15 Jahren von 12 auf 98 Prozent (Es handelte sich um den Five-year Electrification Plan (1965-69) und das Long-term Rural Electrification Project Scheme (1970-79). Siehe hierzu Terry van Gevelt, Rural Electrification and Development in South Korea, in: Energy for Sustainable Development 23 (2014), S. 179-187.).

SDG 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern

Nach dem Willen der Vereinten Nationen sollen die Bevölkerungen aller Länder von den Vorteilen der Elektrizität profitieren. Daher wurde der „Zugang zu erschwinglicher und sauberer Energie“ als siebtes Ziel in die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aufgenommen, die 2015 verabschiedet wurden und bis 2030 verwirklicht werden sollen.

7.1 Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energieleistungen sichern

  • Indikator 7.1.1 Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu Elektrizität
  • Indikator 7.1.2 Anteil der Bevölkerung, der vorwiegend saubere Energieträger und Technologien nutzt [erhoben als Anteil der Menschen, die Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten haben]

7.2 Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen

7.3 Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln

Im vergangenen Jahrzehnt konnten hier einige Fortschritte erzielt werden. Waren im Jahr 2010 noch rund 1,2 Milliarden Menschen weltweit ohne Zugang zu sauberer Energie, konnte diese Zahl bis 2020 nach Schätzungen der Weltbank auf 733 Millionen gesenkt werden. Etwas höher liegt die Schätzung der International Energy Agency (IEA), die von 757 Millionen Menschen für 2020 und – nach neuesten Daten vom April dieses Jahres – von 770 Millionen für 2020 ausgeht. Der Unterschied in den Angaben beruht auf einer unterschiedlichen Methodik in der Datenerhebung. Während die Weltbank Umfragen verwendet, stützt sich die IEA auf Daten der nationalen Verwaltungen. Auch wenn die IEA eine von fünf weiteren Kustoden für die Daten ist, wird die „offizielle“ SDG-Erhebung von der Weltbank durchgeführt. Wir folgen hier d aher den Angaben der Weltbank.

Trotz der erzielten Fortschritte sieht es nach derzeitigem Stand nicht so aus, dass das siebte UN-Nachhaltigkeitsziel bis 2030 erreicht werden kann. Wenn die aktuelle Fortschrittsgeschwindigkeit beibehalten wird, dann werden am Ende dieses Jahrzehnts wohl weiterhin rund 690 Millionen Menschen keinen Zugang zu erschwinglicher, nachhaltiger und moderner Energie haben.

Problemfall ländliches Subsahara-Afrika

Besonders stark betroffen ist – wie in vielen anderen SDG-relevanten Bereichen wie Armut, Gesundheit oder Bildung auch – Sub-Sahara Afrika. Die meisten der 20 Länder mit dem größten Elektrifizierungsdefizit liegen dort (siehe Graphik). 4 von 5 Menschen ohne Zugang zu sauberer Energie stammen aktuell aus einem der 49 Länder dieser Region. Infolge der Corona-Pandemie ist der Anteil von 74 Prozent auf 77 Prozent angestiegen.

Die meisten Menschen ohne Zugang zu Elektrizität befinden sich im ländlichen Raum. Der Grund dafür liegt in der geringen Bevölkerungsdichte, die einen Ausbau des staatlichen Stromnetzes teuer macht. Viele Regierungen scheuen die dafür notwendigen Ausgaben. Dadurch werden die Chancen der ländlichen Bevölkerung auf eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und Bildung sowie auf eine Steigerung des Einkommens durch die Aufnahme oder die Verbesserung produktiver Tätigkeiten stark eingeschränkt. In der Landwirtschaft ist Elektrizität als Triebkraft für moderne Maschinen und Bewässerungssysteme von essenzieller Bedeutung. Andernfalls sind Haushalte von den Vorteilen einer modernen Landwirtschaft ausgeschlossen, zu denen u.a. Ertragssteigerungen und Ertragssicherheit, die intensivierte Bewirtschaftung, Produktivität und abnehmenden Arbeitskosten gehören. Durch Elektrizität wird der Mehrwert landwirtschaftlicher Erzeugnisse auch durch angemessene Lagerungsmöglichkeiten gesteigert. Auf dem Land sind aber auch viele Mikro- und Kleinunternehmer:innen (Micro, Small and Medium Enterprises, kurz MSME) auf unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie Einzelhandel, Dienstleistungen, Bau, Verarbeitung oder Handwerk tätig. Gerade im Bauwesen, der Verarbeitung und im Handwerk ist Zugang zu zuverlässiger Elektrizität wichtig, um Maschinen mit der notwendigen Antriebskraft auszustatten. Kleine Geschäfte und Imbisse benötigen verlässliche Beleuchtung und Kühlmöglichkeiten. In beiden Bereichen – Landwirtschaft und ländlichem Gewerbe – ist Elektrizität zudem wichtig, um sich über geeignete Informations- und Kommunikationstechnologien weiterzubilden und Marktinformationen zu sammeln, um so die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen und die Gewinne zu steigern.

Die Elektrifizierung der ländlichen Bevölkerung Subsahara-Afrikas: auch eine Frage der ökologischen Nachhaltigkeit

Die Elektrifizierung der ländlichen Bevölkerung in Subsahara-Afrika ist aber nicht nur wichtig für Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit in der Region, sondern auch – wie von Ban Ki-moon dargelegt – eine Frage der ökologischen Nachhaltigkeit. Denn in Ermangelung sauberer Energiequellen ist die Bevölkerung gezwungen, auf Diesel-Generatoren zurückzugreifen, die sowohl der Gesundheit der Menschen aus auch der Umwelt schaden. Nach Berechnungen der International Finance Corporation (IFC) werden in Subsahara-Afrika aufgrund fehlenden oder unsicheren Zugangs zu Elektrizität rund 6,5 Millionen Diesel-Generatoren mit einem CO2-Gesamtausstoß in einer Größenordnung von 120 Kohlekraftwerken betrieben (6 IFC (2019), The Dirty Footprint of the Broken Grid. The Impacts of Fossil Fuel Back-up Generators in Developing Countries; 2. United Nations (2019), World Population Prospects 2019.)

Das Potenzial für Solarenergie in Subsahara-Afrika – Teil 2

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Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie – Teil 3

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