Einheitliche Standards – das Ende für Impact Washing?

13. Februar 2023 Ariane Schoen Senior Impact Manager

Neun Grundsätze, die einen hilfreichen Rahmen bieten

Impact Investments haben ein enormes Potenzial, einen Beitrag zur Bewältigung der größten Herausforderungen unserer Zeit zu leisten, wie der Beseitigung ökonomischer Ungerechtigkeiten, dem Zugang zu sauberem Wasser und Hygiene, der Produktivität der Landwirtschaft und dem Schutz natürlicher Ressourcen. Neben einer finanziellen Rendite sollen auch messbare positive soziale, wirtschaftliche oder ökologische Effekte erzielt werden. Doch es gibt eine Herausforderung: Wie kann die tatsächliche Wirkung zuverlässig und vergleichbar gemessen werden? Wie findet man eine einheitliche, allgemein anerkannte Herangehensweise?

Die Operating Principles of Impact Management, kurz OPIM, sollen diesen allgemein anerkannten Standard im Bereich Impact Investing etablieren. Sie wurden 2019 auf der Frühjahrstagung der Weltbankgruppe von der International Finance Corporation (IFC) eingeführt. Um die positiven Effekte eines Investments auf Umwelt und Gesellschaft zu gewährleisten und zu messen, müssen alle Phasen des Anlageprozesses analysiert werden: die Erstellung der Investitionsstrategie, die Identifizierung und Strukturierung von Investitionen, das Portfoliomanagement und der Exit.

Invest in Visions zählt seit März 2021 zu den Unterzeichnern der OPIM. Ein Jahr später wurde nun ihre erste Erklärung veröffentlicht, in der dargestellt wird, wie die Prinzipien im Investitionsprozess verankert sind. Derzeit befindet sich Invest in Visions im externen Überprüfungsprozess dieser Erklärung.

Für Ariane Schoen, Senior Impact Manager bei Invest in Visions, spielt vor allem der letzte Punkt eine entscheidende Rolle: „Gerade die externe Überprüfung ist eine wichtige Komponente, denn sie vermag Schwächen im Investmentprozess aufzuzeigen. Das hilft der Impact-Branche und uns als Finanzdienstleister dabei noch besser zu werden. Nicht zu unterschätzen ist auch der konstruktive Austausch mit anderen Fondsanbietern zur Weiterentwicklung der Prozesse und Praktiken.”

Einheitlicher Standard soll Impact Washing beenden

Die Prinzipien basieren auf den sich stetig weiterentwickelnden bewährten Verfahren (Englisch: best practices) von Impact Investoren und werden bei Bedarf überarbeitet. Sie sollen Investor:innen helfen, Anlagen zu finden, die nach international anerkannten Impact-Kriterien verwaltet werden. Weltweit haben sich diesen Prinzipien bereits rund 170 Impact-Investoren aus 39 Ländern verschrieben, darunter Asset Manager, Vermögensverwalter, multilaterale Entwicklungsbanken und Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen.

Ariane Schoen erklärt: „Für uns war die Unterzeichnung der OPIM ein konsequenter Schritt, um einen international einheitlichen Standard zu unterstützen, der hoffentlich dabei hilft, die Debatte über echtes Impact Investing zu schärfen und Impact-Washing entgegenzuwirken.“

Neun Grundsätze, um Transparenz zu schaffen und Wirkung darstellbar zu machen

Die OPIM definieren einen End-to-End-Prozess: Strategie, Strukturierung, Portfolio-Management, Exit und eine unabhängige Verifizierung. Diese fünf Kernelemente sind wiederum in neun Grundsätze gegliedert.

1. Strategische Wirkungsziele definieren, die mit der Investitionsstrategie in Einklang stehen.
Der Manager definiert die angestrebten strategischen Wirkungsziele für das Portfolio bzw. den Fonds, mit denen sich messbare positive Auswirkungen auf die Gesellschaft oder die Umwelt erzielen lassen und die im Einklang mit den Sustainable Development Goals (SDGs) oder anderen allgemein anerkannten Zielen stehen. Dabei müssen die vom Manager angestrebten Wirkungsziele nicht zwangsläufig auch vom Beteiligungsnehmer bzw. Investitionsempfänger verfolgt werden. Der Manager muss sicherstellen, dass Wirkungsziele und Investitionsstrategie aufeinander abgestimmt sind; dass die Investitionsstrategie mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zum Erreichen der Wirkungsziele führt und dass der Umfang und/oder die Intensität der angestrebten Wirkung der Größe des Investitionsportfolios angemessen ist.

2. Steuerung der strategischen Wirkungen auf Portfoliobasis.
Der Manager muss über einen Prozess zur Steuerung der strategischen Wirkungen auf Portfoliobasis verfügen. Ziel des Prozesses ist die Bestimmung und Überwachung der Wirkungsperformance des gesamten Portfolios. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wirkung der einzelnen Investitionen im Portfolio unterschiedlich ausfallen kann. Der Manager muss im Rahmen des Prozesses berücksichtigen, inwiefern Leistungsanreize für die Mitarbeiter neben der finanziellen Performance auch auf das Erreichen der Wirkungsziele ausgerichtet werden sollten.

3. Den Beitrag des Managers zur Erreichung der Wirkung nachweisen.
Der Manager muss seinen Beitrag zum Erzielen der angestrebten Wirkung für die einzelnen Investitionen bestimmen können und diese dokumentieren. Beiträge können durch einen oder mehrere finanzielle oder nicht-finanzielle Wege erfolgen[1]. Die Dokumentation muss begriflich klar gehalten sein und möglichst umfassende Belege enthalten.

4. Die erwartete Wirkung jeder Investition basierend auf einem systematischen Ansatz bewerten.
Der Manager muss für jede Investition vorab deren konkretes positives Wirkpotenzial[2] bestimmen und, wenn möglich, quantifizieren. Dieser Bestimmung muss ein geeignetes Rahmenwerk für die Messung der Ergebnisse zugrunde liegen, mit dem sich die folgenden entscheidenden Fragen beantworten lassen:

Was ist die angestrebte Wirkung?
Wen betrifft die angestrebte Wirkung?
Wie signifikant ist die angestrebte Wirkung?[3]
Zusätzlich muss der Manager die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der das angestrebte Ziel erreicht wird. Bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit ermittelt der Manager signifikante Risikofaktoren, die dazu führen können, dass die erreichte Wirkung von den Voraberwartungen abweicht.

Das Wirkungspotenzial muss dabei vom Manager in evidenzbasierter Form an den jeweiligen regionalen Herausforderungen kontextualisiert und bewertet werden. Außerdem muss der Manager Opportunitäten zur Erhöhung der Wirkung der Investition abwägen. Wenn möglich, und wo mit Blick auf die Investitionsstrategie relevant, kann der Manager auch indirekte und systemische Wirkungen in Betracht ziehen. Die Indikatoren müssen so weit wie möglich Branchenstandards[4] und Best Practices[5] entsprechen.

5. Einschätzung, Behebung, Überwachung und Steuerung potenzieller negativer Wirkungen der einzelnen Investitionen.
Der Manager muss für jede Investition im Rahmen eines systematischen und dokumentierten Prozesses ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance)[6] identifizieren und vermeiden bzw., wenn eine Vermeidung nicht möglich ist, eingrenzen und kontrollieren. Wo angemessen, muss der Manager gemeinsam mit dem Beteiligungsnehmer bzw. Investitionsempfänger mögliche Lücken in den Systemen, Prozessen und Standards des Investitionsempfängers beseitigen und hierbei einem Ansatz folgen, der sich an internationalen branchenüblichen Verfahren orientiert.[7] Im Rahmen des Portfolio-Managements muss der Manager die ESG-Risiken der Investitionsempfänger im Blick behalten und ggf. in Zusammenarbeit mit diesen Lücken schließen und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.

6. Den Fortschritt jeder Investition bei der Erzielung von Wirkungen im Vergleich zu den Erwartungen überwachen und entsprechend reagieren.
Der Manager muss den Bewertungsrahmen für die Ergebnismessung (auf den in Prinzip 4 verwiesen wird) verwenden, um den Fortschritt bei der Erreichung positiver Wirkungen im Vergleich zu den erwarteten Wirkungen für jede Investition zu überwachen. Der Fortschritt wird anhand eines vordefinierten Prozesses für den Austausch von Leistungsdaten mit dem Beteiligungsnehmer bzw. Investitionsempfänger überwacht.

Darin wird so weit wie möglich Folgendes dargelegt: wie oft Daten erhoben werden, die Methode der Datenerhebung, die Datenquellen, die Verantwortlichkeiten für die Datenerhebung und wie und an wen die Daten gemeldet werden. Wenn die Überwachung darauf hinweist, dass die Investition voraussichtlich nicht mehr die beabsichtigten Wirkungen erreichen wird, muss der Manager versuchen, geeignete Maßnahmen[8] zu ergreifen. Der Manager soll außerdem den Bewertungsrahmen für die Ergebnismessung dafür nutzen, die Outcomes[9] der Investition zu erfassen.

7. Durchführung von Exits unter Beachtung des Effekts auf die langfristige Wirkung.
Bei der Durchführung eines Exits[10] muss der Manager nach Treu und Glauben und unter Einhaltung seiner treuhänderischen Pflichten den Effekt von Zeitpunkt, Struktur und Verfahren des Exits auf die Nachhaltigkeit der Wirkungen berücksichtigen.

8. Entscheidungen und Prozesse auf der Grundlage der erreichten Wirkungen und der gewonnenen Erkenntnisse überprüfen, dokumentieren und verbessern.
Der Manager muss die Wirkungsperformance der einzelnen Investitionen überprüfen und dokumentieren, die erwartete und die tatsächliche Wirkung, sowie andere positive und negative Wirkungen vergleichen und die Ergebnisse zur Optimierung operationeller und strategischer Investitionsentscheidungen sowie von Managementprozessen verwenden.

9. Öffentliche Bekanntmachung der Einhaltung der Grundsätze und Gewährleistung einer regelmäßigen unabhängigen Prüfung[11] der Einhaltung.
Der Manager muss jährlich die Übereinstimmung seines Impact-Management-Systems mit den Grundsätzen offenlegen und die Einhaltung regelmäßig von unabhängiger Stelle prüfen lassen. Auch die Ergebnisse des Prüfberichts sind zu veröffentlichen. Diese Offenlegungen unterliegen treuhänderischen und regulatorischen Vorgaben.

OPIM stärkt Vertrauen und hilft Impact Washing vorzubeugen

Die Operating Principles of Impact Management sind in den Augen von Invest in Visions ein weiterer wichtiger Schritt, um Impact Investing stärker zu etablieren und private Finanzströme dorthin zu lenken, wo sie dringend benötigt werden. Je mehr Marktteilnehmer:innen die OPIM unterschreiben, desto allgemeingültiger werden die Regeln und eine anerkannte Messbarkeit wird erzielt. Das wiederum stärkt das Vertrauen der Investor:innen und hilft Impact Washing vorzubeugen.

Quellen:

[1] Beispiele für mögliche Bereiche: Optimierung der Kapitalkosten, aktives Shareholder-Engagement, spezifische finanzielle Strukturierung, Angebot innovativer Finanzinstrumente, Unterstützung bei der Mobilisierung weiterer Ressourcen, Schaffung langfristiger, vertrauensvoller Partnerschaften, technische bzw. ökonomische Beratung oder Kapazitätsaufbau beim Investitionsempfänger und/oder Unterstützung des Investitionsempfängers beim Erreichen höherer betrieblicher Standards

[2] Der Schwerpunkt muss auf den wesentlichen gesellschaftlichen und umweltspezifischen Wirkungen der Investition liegen. Die in Grundsatz 4 ermittelten Wirkungen können auch positive ESG-Effekte der Investition umfassen.

[3] Übernommen vom Impact Management Project (www.impactmanagementproject.com).

[4] Beispiele für Branchenindikatorenstandards umfassen HIPSO (https://indicators.ifipartnership.org/about/), IRIS (iris.thegiin.org), GIIRS (http://b-analytics net/giirs-funds), GRI (www.globalreporting.org/Pages/default.aspx) und SASB (www.sasb.org).

[5] Best-Practice-Indikatoren sind u. a. SMART (Specific, Measurable, Attainable, Relevant, and Timely) und SPICED (Subjective, Participatory, Interpreted & communicable, Cross-checked, Empowering, and Diverse & disaggregated).

[6] Gutes ESG-Management hat u. U. positive Wirkungen, die möglicherweise den vom Manager angestrebten Primärwirkungen entsprechen. Die positiven Wirkungen in Zusammenhang mit ESG müssen direkt im oder zusätzlich zu dem in den Grundsätzen 4 und 6 beschriebenen Impact-Management-System gemessen und gesteuert werden

[7] Beispiele für anerkannte internationale branchenweite Verfahren sind: die Performance-Standards der IFC (www.ifc.org/performancestandards), die Corporate Governance-Methode der IFC (www.ifc.org/cgmethodology), die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (www.unglobalcompact.org/library/2) und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (http://mneguidelines.oecd. org themes/human-rights.htm).

[8] Mögliche Maßnahmen umfassen die aktive Zusammenarbeit mit dem Investitionsempfänger, frühzeitige Veräußerung, die Anpassung von Indikatoren/Erwartungen aufgrund signifikanter, unvorhergesehener und geänderter Umstände sowie andere angemessene Maßnahmen zur Optimierung der erwarteten Wirkungsperformance des Portfolios.

[9] Bei den Ergebnissen handelt es sich um kurzfristige und langfristige Effekte der Outputs einer Investition. Die Outputs wiederum sind die Produktions- und Investitionsgüter und Dienstleistungen, die sich aus der Investition ergeben. Übernommen vom OECD-DAC (www.oecd.org/dac)

[10] Hierzu gehören beispielsweise Verbindlichkeiten, Eigenkapital und Anleihenverkäufe. Ausgeschlossen sind dagegen selbstliquidierende und fällig werdende Instrumente.

[11] Die unabhängige Prüfung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, u. a. im Rahmen einer Buchprüfung, durch einen unabhängigen internen Ausschuss zur Wirkungseinschätzung oder durch eine Evaluierung der Portfolio-/Fonds-Performance. Die Häufigkeit und die Komplexität der Prüfung orientieren sich an deren Kosten, der relativen Größe des jeweiligen Fonds/der jeweiligen Einrichtung und der erforderlichen Vertraulichkeit.