Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie – Teil 3

30. Januar 2023 Moritz Isenmann Senior Impact and Sustainability Manager

Impact Investing und SDG 7

Eine vor kurzem veröffentlichte Studie stellt erneut unter Beweis: Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen Elektrifizierung und Wohlstandsgewinnen. Für mehr als die Hälfte der rund 570 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika, die bislang keinen Zugang zu Elektrizität haben, kann dieser am kostengünstigsten durch dezentrale, solarbasierte Systeme jenseits der nationalen Netze – also „off-grid“ – bereitgestellt werden. Da die öffentliche Hand die Finanzierung nicht allein bewältigen kann, muss auch privates Kapital in den Sektor fließen. Was beachtet werden muss, dass die private Finanzierung nachhaltig ist und für die Nutzer:innen nicht zu einer „social impact credit trap“ wird, erklären wir in diesem Teil unserer Reihe über den Zugang zu sauberer und erschwinglicher Energie.

Neue Evidenz für den Zusammenhang von Elektrifizierung und Wohlstandsgewinnen

Im ersten Beitrag unserer Reihe über den Zugang zu sauberer und erschwinglicher Energie haben wir uns mit der wohlstandsfördernden Wirkung von Elektrifizierung insbesondere im ländlichen Raum befasst. Vor wenigen Wochen, am 16. November 2022, ist in der Zeitschrift „Nature“ ein Aufsatz mehrerer Forscher der renommierten Stanford University erschienen, der neuartige Evidenz für diese Annahme liefert. Um den kausalen Zusammenhang zwischen Elektrifizierung und Armutsreduzierung noch sicherer zu bestimmen, haben die Wissenschaftler Satellitenbilder ausgewertet und künstliche Intelligenz genutzt. Untersucht wurde Uganda, wo die Elektrifizierungsrate von 12 Prozent im Jahr 2010 auf 41 Prozent 2019 gesteigert werden konnte. Die Wissenschaftler haben 268 ugandische Dörfer und Gemeinden analysiert, die in den Jahren 2011/12 Zugang zum staatlichen Stromnetz erhielten, und die Daten mit denen einer Kontrollgruppe von über 3.600 nicht-elektrifizierten Dörfern verglichen. Dabei konnten sie feststellen, dass die Vermögenswerte in den elektrifizierten Dörfern bis 2016 doppelt so stark anwuchsen wie in den nicht-elektrifizierten. Das Fazit: „Our results indicate that access to electrification can generate meaningful improvements in economic well-being […]”.

Die Wissenschaftler der Standford University haben sich bei ihrer Studie auf die Ausweitung des staatlichen Stromnetzes auf der Ebene ganzer Gemeinden beschränkt. Wie bereits in der letzten Ausgabe der Impulse dargelegt (siehe Teil 2), ist nach Ansicht wichtiger nationaler und internationaler Institutionen wie der Weltbank oder der Internationalen Energiebehörde IEA die Ausweitung des staatlichen Netzes für mehr als die Hälfte aller noch nicht elektrifizierten Haushalte in Subsahara-Afrika nur die zweitbeste Lösung. Effektiver und kostengünstiger ist insbesondere in weniger dicht besiedelten Gebieten der Einsatz von dezentralen Systemen wie Solar Home Systems, solarbetriebenen Einzelgeräten (Wasserpumpen, Getreidemühlen, Kühlhäuser etc.) oder Mini-grids. Auch für derartige „Off-grid“-Systeme konnten in der Vergangenheit Produktivitäts- und Wohlstandsgewinne aufgezeigt werden.

Eine Umfrage im Auftrag der Global Off-Grid Lighting Association (GOGLA) unter 2.343 Nutzer:innen in Kenia, Mozambique, Rwanda, Tansania und Uganda ergab 2018, dass knapp 60 Prozent der Nutzer:innen aufgrund des Zugangs zu Off-grid-Elektrizität wirtschaftlich aktiver sein konnten: durch den Erhalt eines neuen Arbeitsplatzes, den Einsatz der Elektrizität in einem bereits bestehenden Geschäft oder die Möglichkeit, länger am Tag arbeiten zu können. 36 Prozent der ländlichen Nutzer:innen wurden nach eigener Aussage in die Lage versetzt, ihr monatliches Einkommen um 35 US-Dollar zu steigern, was über der Hälfte des durchschnittlichen Monatseinkommens in diesen Ländern entspricht. Über 90 Prozent der Haushalte, in denen das Solarsystem gesundheitsschädliche Energiequellen wie Kerosin ersetzten, berichteten über bessere Gesundheit und ein größeres Sicherheitsgefühl. Angesichts derartiger Ergebnisse vertreten beispielsweise auch Wissenschaftler des University College London die Ansicht, dass der Zugang zu Off-grid-Elektrizität als einer der Schlüsselmechanismen für die Entwicklung des ländlichen Raums im Hinblick auf ökonomisches Wohlbefinden und die Verbesserung des Lebensstandards betrachtet werden sollte.

Access to off-grid electricity should be seen as a key mechanism for rural development to improve economic well-being and living standards.

Bei der Finanzierung der Verbreitung von Off-grid-Technologien waren von Anfang an neben staatlichen auch private Akteure involviert.

Auch in den kommenden Jahren wird der allgemeine Zugang zu Elektrizität aufgrund der begrenzten öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten nicht ohne die Mobilisierung von privatem Kapital möglich sein, wie beispielsweise die Weltbank festgestellt hat.Regierungen wird daher geraten, die vorhandenen öffentlichen Gelder vor allem für Maßnahmen zu verwenden, durch die zusätzliche private Finanzmittel „gehebelt“ werden können. „Blended Finance“ lautet hier das Stichwort. Sie sollen darüber hinaus in die Ausweitung des Zugangs in Gegenden investieren, die mit aller Wahrscheinlichkeit keine private Finanzierung erhalten werden, und den Zugang für diejenigen subventionieren, die ihn sich nicht leisten können.

Soziale Nachhaltigkeit: Besonderheiten des Paygo-Modells und Förderung von gewerblicher Nutzung von Energie

Impact Investing kommt folglich eine wichtige Rolle bei der Elektrifizierung Subsahara-Afrikas zu. Um die soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten, müssen jedoch verschiedene Aspekte bedacht werden. Die Erfahrung hat gezeigt: wenn die Bereitstellung von finanziellen oder anderen Dienstleistungen an einkommensschwache Bevölkerungsgruppen mit einer Renditeerwartung einhergeht, ist eine positive soziale Wirkung selbst bei gut durchdachten Konzepten kein Selbstläufer.

Da die direkte Anschaffung eines Solarsystems die Kaufkraft vieler ländlicher Bewohner übersteigt, haben sich am Markt sogenannte „Pay-as-you-go“-Modelle (kurz: „Paygo“) durchgesetzt. Dabei leistet der Kunde eine Anzahlung und begleicht den Rest der Kosten in Raten. Nach einer bestimmten Anzahl an Raten ist das Gerät abbezahlt und geht in den Besitz des Kunden über. Sollte die Zahlung der Rate(n) ausbleiben, wird der Zugang ferngesteuert unterbrochen und erst wieder in Betrieb genommen, wenn die Rate beglichen oder eine andere Vereinbarung getroffen ist.

Die Erschwinglichkeit von Off-grid-Solar-Produkten hat aufgrund von Covid-19 in den letzten beiden Jahren abgenommen. Einerseits ist das Einkommen vieler potenzieller Nutzer:innen gesunken und andererseits sind die Produkte aufgrund von unterbrochenen Lieferketten teurer geworden.

Damit ist auch die Gefahr gestiegen, dass sich die Konsument:innen für die Nutzung von Elekrizität verschulden. Von einer „social impact credit trap“ ist hier bisweilen die Rede.

Impact Investoren sollten mindestens drei Dinge beachten, damit ihre Investition sozial nachhaltig wirken kann:

 

Erstens sollte die gewerbliche Nutzung von Energie gefördert werden. „Productive Use of Energy (PUE)“ ist aktuell eines der meistgebrauchten Schlagwörter in der Diskussion darüber, wie Off-grid-Elektrifizierung nachhaltig gestaltet
werden kann. Elektrizität kann in unterschiedlichen wirtschaftlichen Sektoren und Branchen eingesetzt werden, wie die Graphik (siehe oben) der Lighting Global, einer Sektorinitiative der Weltbank, zeigt. Die nachhaltige Wirkung liegt auf der Hand: abgesehen von der möglichen Kostenersparnis durch das Ersetzen teurerer
Energiequellen (Diesel, Kerosin etc.) mit einer solaren Energiequelle, kann mit letzterer Einkommen generiert werden, das den Erwerb der Technik nicht zu einem finanziellen Risiko werden lässt.

 

Die zweite Voraussetzung ist – genau wie im Bereich Mikrofinanz – die Implementierung von Prozessen und die Durchsetzung von Standards, welche die Kund:innen vor Missbrauch wie beispielsweise Fehlinformationen über den
wirklichen Preis des Systems durch das Vertriebspersonal schützen. Hierzu hat GOGLA bereits einen Katalog von Kundenschutzprinzipien vorgelegt, der die sektorspezifischen Mindestanforderungen darstellt.

 

Drittens ist es wichtig, sich als Impact Investor realistische Ziele zu setzen. Wie bereits Mikrofinanz ist auch die Off-grid-Branche ursprünglich mit dem Anspruch angetreten, die „Ärmsten der Armen“ mit Dienstleistungen zu versorgen.
Für beide Bereiche muss dieser Anspruch aber gesenkt werden. Menschen, die bislang weder Erfahrung mit der Nutzung von Elektrizität noch mit finanziellen Dienstleistungen und den aus diesen erwachsenden Verpflichtungen
haben, können eine „Paygo“- Finanzierung ggf. schwer einschätzen und damit überfordert sein.10 Daher ist es wichtig, Solar Home Systems und andere Off-grid-Systeme nur an Menschen mit einer gewissen Kaufkraft zu vertreiben
bzw. die Größe des Systems an die finanziellen Möglichkeiten der Nutzer:innen anzupassen. Damit ist die gewünschte soziale Wirkung zwar nicht mehr so groß wie vielleicht erhofft, doch ist das Modell dann sozial wie finanziell nachhaltiger. Zudem ist der ökologische Nutzen, den das Ersetzen einer klimaschädlichen Energiequelle erzeugt, ungebrochen hoch.

 

Mit letzterem, nämlich dem Zusammenhang von Off-grid- Elektrifizierung und Klimaschutz, werden wir uns im nächsten Teil der Reihe etwas genauer beschäftigen.

Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie – Teil 1

Mehr dazu

Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie – Teil 2

Mehr dazu