Ecuador: Die politische und wirtschaftliche Lage 2023

04. Oktober 2023 Michael Zink Chief Customer Officer

Die Republik Ecuador liegt im Nordwesten Lateinamerikas und grenzt an Peru und Kolumbien. Ein Großteil der knapp 18 Millionen Einwohner lebt vom Anbau von Exportprodukten wie Kaffee, Bananen und Garnelen. Ecuador ist beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner von 11.482 US-Dollar nach Kaufkraftparität das viertärmste Land Südamerikas. Das BIP pro Einwohner der Nachbarn Peru und Kolumbien beträgt 13.334 US-Dollar bzw. 14.485 US-Dollar. Zum Vergleich: das BIP pro Einwohner nach Kaufkraftparität von Deutschland beträgt 50.425 US-Dollar. Die Wirtschaft Ecuadors ist stark von der Erdölproduktion abhängig, die fast 60 Prozent der Exporte erwirtschaftet. Mangels größerer Unternehmenseinheiten machen Mikrounternehmen sowie kleine und mittelgroße Unternehmen (engl. SME) den größten Teil der Wirtschaftsleistung des privaten Sektors aus.

Seit dem Jahr 2000 hat Ecuador keine eigene Währung mehr, der US-Dollar ist offizielles Zahlungsmittel. Eine weitere Besonderheit der Volkswirtschaft des Andenstaates sind seine zahlreichen Arbeitsemigranten. Etwa ein Fünftel der Ecuadorianer lebt im Ausland, vor allem in den USA und Spanien.

In den letzten Jahren ist Ecuador zunehmend zu einem Drogenumschlagplatz geworden. Die damit verbundene Bandenkriminalität hat die Mordrate in dem Land inzwischen sogar über das Niveau von Mexiko ansteigen lassen und beeinträchtigt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben.

Der IIV Mikrofinanzfonds ist mit knapp 10 Prozent des Gesamtportfolios in ecuadorianische Mikrofinanzinstitute (MFI) investiert. Damit ist Ecuador schon beinahe traditionell das Land mit der höchsten Investitionsquote des Fonds, trotz der politischen und makro-ökonomischen Herausforderungen. Einer der Investitionsgründe ist die erwähnte “Dollarisierung” des Landes, die somit Währungsabsicherungskosten reduziert. Zudem verfügt Ecuador über professionelle Mikrofinanzinstitute und eine gute Regulierung, die eine vertrauensvolle und langfristige Zusammenarbeit zwischen Gläubigern und den Mikrofinanzinstituten ermöglicht.

Mikrofinanz in Ecuador

In einem Land wie Ecuador, in dem die meisten Menschen die Hyperinflation und den plötzlichen, rapiden Wertverlust ihres ersparten Geldes erlebt haben, wächst die Nachfrage nach Mikrokrediten stetig. Bevor es Mikrofinanz in Ecuador gab, konnten die Menschen Finanzmittel zumeist nur bei lokalen Geldverleihern erhalten, die sie häufig in die Verschuldung trieben. Seit der Einführung von Mikrofinanz erfreut sich dieses Finanzierungsmittel bei der Bevölkerung wachsender Beliebtheit: viele Menschen nutzen die Chance, sich mit Unterstützung der lokalen Mikrofinanzinstitute eine eigene Existenz aufzubauen und in ein finanziell stabiles Leben zurückzufinden. Menschen ohne finanzielle Sicherheiten erhalten Zugang zu Darlehen, Spareinlagen und Versicherungen. Endkreditnehmer erhalten die Möglichkeit, ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen.

Politische Lage

Am 15. Oktober findet die Stichwahl der Präsidentschaftswahl statt. Überschattet von der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten und Journalisten Fernando Villavicencio waren die Vorwahlen von Spannungen geprägt. Villavicencio war ein scharfer Kritiker der Korruption und des wachsenden Einflusses der Drogenkartelle. Denn Ecuador ist zu einer Transitroute für Kokain zwischen Peru und Kolumbien geworden. Die Situation im Land ist entsprechend angespannt, Schießereien auf offener Straße und Entführungen stehen auf der Tagesordnung.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen verlief nach dem gewalttätigen Wahlkampf überraschend ruhig und geordnet mit einer Wahlbeteiligung von 82,3 Prozent. Eine Stimmenmehrheit gewann die linksgerichtete Politikerin Luisa González mit 33 Prozent. Es wird erwartet, dass sie im Falle ihres Sieges bei der Stichwahl die Politik des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa weiterführen würde. Correa stand von 2007 bis 2017 an der Spitze des Staates und vertrat eine linksorientierte Politik mit beeindruckenden Erfolgen in der Armutsbekämpfung, die zwischen 2007 und 2014 um 38 Prozent sank, während die extreme Armut sogar um 47 Prozent zurückging. Nach der Wahl des designierten Nachfolgers Lenin Moreno in das Präsidentenamt im Jahr 2017 distanzierte sich Letzterer zunehmend von der sozialen Politik seines Amtsvorgängers und demontierte sogar teilweise die sozialen Errungenschaften der Correa-Zeit. Die eingeleitete konservative Wende sorgte auch dafür, dass die einstigen Weggefährten inzwischen persönlich verfeindet sind. Correa lebt inzwischen im belgischen Exil, um einer mehrjährigen Haftstrafe zu entgehen. Unter einer Präsidentin Gonzalez könnten die sozialen Pläne der Correa-Zeit vermutlich wiederbelebt werden.

Den zweiten Platz im ersten Wahlgang belegte der konservative Abgeordnete Daniel Noboa mit 24 Prozent. Noboa entstammt einer der vermögendsten Familien des Landes, die ihr Geld mit dem Bananenexport gemacht hat. Sein zweiter Platz überraschte, da ihn viele Umfragen in den Tagen vor der Wahl noch abgeschlagen gesehen hatten. Alle Kandidaten des Rennens außer González einte das Ziel, eine Rückkehr zur Politik des Ex-Präsidenten Correa zu verhindern. Insofern ist ein Wahlsieg von Luisa González in der Stichwahl keinesfalls sicher, sollte es dem erst 35-jährigen Noboa gelingen, die Stimmen der bürgerlichen und konservativen Kräfte hinter sich zu vereinen.

Auswirkungen der Präsidentschaftswahlen auf Mikrofinanz

Man könnte vermuten, dass die angespannte und instabile Lage sowohl Auswirkungen auf die Endkreditnehmer als auch auf die Mikrofinanzinstitute und damit auf die Stabilität des IIV Mikrofinanzfonds hat. Allerdings hat die politische Situation in einem Land traditionell nur geringen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Fonds, da die Nachfrage nach Mikrofinanz-Krediten unbeschadet der politischen Situation besteht. Anders stellt es sich dar bei militärischen Handlungen, wie Krieg oder Putsch, oder Liquiditätssanktionen, wenn die Menschen in den betroffenen Ländern ihren unternehmerischen Aktivitäten nicht mehr nachgehen können. Insofern sind vom Ausgang der Wahl am 15. Oktober grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der vom IIV Mikrofinanzfonds refinanzierten Mikrofinanzinstitute zu erwarten.