SME-Finanzierung in den Emerging Markets – Teil 3
16. Juni 2021 Moritz Isenmann Senior Impact and Sustainability Manager
SMEs (Small and medium-sized enterprises) können eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum im globalen Süden spielen. Doch bleibt ihnen – wie im vorausgegangenen SME-Blog dargestellt – der Zugang zu Kapital, mit dem sie sich entwickeln könnten, oft verschlossen. Um die Lage zu verbessern, müssen mehr Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden, die auf den Bedarf von SMEs zugeschnitten sind.
In den nächsten 10 bis 15 Jahren muss in den Entwicklungs- und Schwellenländern eine ungeheure Anzahl von Arbeitsplätzen geschaffen werden, um der schnell wachsenden Bevölkerung dieser Länder ein Auskommen zu sichern. In einem Bericht der International Finance Corporation (IFC) zur Finanzierungslücke für MSME (Micro, Small and Medium Enterprises) aus dem Jahr 2017 ist von 600 Millionen Jobs die Rede, die bis 2030 geschaffen werden müssten, und zwar allein um das bestehende Beschäftigungsniveau aufrecht zu erhalten.¹
Waren die Herausforderungen bereits vor COVID-19 enorm, so sind sie im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal signifikant gestiegen. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass im vergangenen Jahr weltweit insgesamt 8,8 Prozent aller Arbeitsstunden (zusammen mit dem entsprechenden Einkommen) verloren gegangen sind, was der Arbeitszeit von 255 Millionen Arbeitnehmer:innen in Vollzeit entspricht. Die eine Hälfte der Arbeitsstunden ging durch Kurzarbeit verloren, die andere durch den vollständigen Verlust des Arbeitsplatzes. 114 Millionen Arbeitsplätze fielen der Pandemie zum Opfer, wie die ILO in einem kürzlich veröffentlichten „Flagship Report“ ausführt. Geographisch hat es die „Lower-middle income countries“, d.h. die Länder mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von ca. 1.000 bis 4.000 US-Dollar jährlich, am stärksten getroffen.
Quelle: ILO Monitor: COVID-19 and the World of Work (Januar 2021).²
Kleine und mittlere Unternehmen leisten in den Emerging Markets bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur Lösung des drängenden Beschäftigungsproblems. Ihr Beitrag könnte aber noch weit größer sein – vorausgesetzt, dass es gelingt, die Finanzierungslücke von ca. 4,5 Billionen US-Dollar zu schließen, die der IFC diagnostiziert hat.
Wie in unserem letzten SME-Blog beschrieben, hat die Finanzierungslücke vor allem zwei Ursachen: Zum einen ist der Finanzbedarf von SMEs für klassische Mikrofinanzinstitute (MFIs) zu groß und für konventionelle Banken zu gering. Spezialisierte SME-Banken, die diese Lücke füllen könnten, gibt es in den Emerging Markets nicht. Was es jedoch zunehmend gibt, sind MFIs, die durch den Aufbau eines zusätzlichen Darlehensportfolios für SMEs „up-scalen“ sowie Banken, die auf die umgekehrte Weise „down-scalen“. Hier bietet sich ein guter Ansatzpunkt. Denn diese Finanzinstitute können mit Darlehen versorgt werden, die wiederum für die Weitervergabe an SMEs reserviert sind – ein ähnliches Refinanzierungsmodell wie bei einem Mikrofinanzfonds.
Mit der Refinanzierung solcher Finanzinstitute kann zugleich auch das zweite Problem gelöst werden, das der Finanzierungslücke zugrunde liegt: die Einschätzung bzw. Mitigation des Risikos. Denn solche Finanzinstitute verfügen über angepasste Scoring- und Ratingmodelle, die das Kreditausfallrisiko von SMEs auch ohne die von konventionellen Banken geforderten, meist aber nicht vorhandenen testierten Jahresabschlüsse und externen Ratings angemessen einschätzen können. Das Fehlen solcher Elemente wird beispielsweise dadurch kompensiert, dass neben dem Geschäfts- und Marktrisiko sowie vorhandenen (ungeprüften) Finanzberichten auch die Stabilität der Lebensverhältnisse der Darlehensnehmer:innen eingehend geprüft wird. Für den Investor in einen SME-Fonds, der solche Finanzinstitute refinanziert, ist ohnehin nicht das Risiko auf der Unternehmensebene ausschlaggebend. Entscheidend ist die Bonität der unterstützten Finanzinstitute. Und diese verfügen wiederum über geprüfte Jahresabschlüsse und sehr oft auch externe Ratings, die das Risiko für das Portfoliomanagement des Fonds gut kalkulierbar machen. Im Falle von Banken sind diese darüber hinaus reguliert und unterliegen einer staatlichen Aufsicht.
Das Vorgehen, mit dem man SMEs mit mehr Kapital versorgen und damit einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen im globalen Süden leisten kann, ist dem eines Mikrofinanzfonds ähnlich. Auch das Risikoprofil eines solchen SME-Fonds unterscheidet sich nicht grundsätzlich, wobei die Laufzeit der Darlehen länger ist, Worin sich die beiden Fondsarten aber vor allem unterscheiden, ist die Wirkungsebene der Investitionen.
1 IFC (2017), MSME Finance Gap. Assessment of the Shortfalls and Opportunities in Financing Micro, Small and Medium Enterprises in Emerging Markets, World Bank Group: Washington D.C., S. VII. Die Zahl stammt ursprünglich aus: World Bank (2012), Word Development Report 2013: Jobs, S. 6. Andere Berechnungen liegen etwas darunter. Siehe z.B. Merotto, Dino/Weber, Michael/Aterido, Reyes (2018), Pathways to Better Jobs in IDA Countries: Findings from Jobs Diagnostics. World Bank: Washington, DC., S. 5f. In jedem Fall geht es aber um mehrere hundert Millionen Arbeitsplätze.
2 International Labour Organization (ILO), World Employment and Social Outlook. Trends 2021, Geneva: ILO, 2021.