Quo vadis, Impact Investing?
Impact Investing steht an einem Scheideweg. Dies ist im Jahr 2021 immer deutlicher geworden. Seitdem die EU-Offenlegungsverordnung am 10. März in Kraft getreten ist, hat eine wundersame Vermehrung vermeintlicher „Impact“-Fonds stattgefunden. Besonders ausgeprägt ist die Zunahme im Bereich von Aktienfonds, die zu hunderten von ihren Anbietern selbstbewusst als sogenannte Artikel 9-Fonds („nachhaltige Investitionen“ bzw. Impact) klassifiziert wurden.
Ist Impact Investing innerhalb kurzer Zeit mainstreamkompatibel geworden oder hat hier vor allem eine Umbenennung stattgefunden? Ohne der ausstehenden Überprüfung vorgreifen zu wollen: Es drängt sich doch ein wenig die Vermutung auf, dass Mainstreamanbieter „Impact“ in dem Maße für sich als Distinktionsmerkmal entdeckt haben, als Nachhaltigkeit bzw. ESG diskursiv zum neuen Normalzustand avanciert ist. Da scheinbar die meisten Investitionen oder Produkte mittlerweile „nachhaltig“ sind, muss das Marketinggetriebe im Werben um den nachhaltigen Anleger einen Gang höher geschaltet werden. Dabei ist Impact Investing als allgemein anerkannte „Königsklasse“ unter den nachhaltigen Investitionsansätzen das Schlagwort der Wahl.
Aber was ist eigentlich „Impact Investing“, was sind „Impact Investments“?
Auch wenn immer wieder betont wird, dass Impact Investing kein genau definiertes Konzept sei, so gibt es doch weitgehende Einigkeit über seine grundsätzlichen Bestandteile. Die International Finance Corporation (IFC), eine privatwirtschaftliche Schwesterorganisation der Weltbank und selbst einer der weltweit führenden Impact Investorinnen, legt fest, dass beim Impact Investing drei konstitutive Elemente vorzuliegen haben:
- Die Absicht, eine positive ökologische und/oder soziale Wirkung zu erzielen,
- ein Beitrag zur Lösung eines ökologischen oder sozialen Problems und
- die Messung dieses Beitrags.[1]
Angesichts dieser Anforderungen finden Impact Investments vor allem auf dem Privatmarkt in den Bereichen Private Equity und Private Debt statt. Mainstreamanbieter, die nun auf den Markt drängen, argumentieren aber, dass Impact Investing als für jedermann leicht erwerb- und veräußerbare Finanzprodukte auch auf öffentlichen Märkten, z. B. in der Form von Aktienfonds, verfügbar sein müsse. Nur so könne es aus der „Nische“ herauskommen. BlackRock wirbt beispielsweise in seinem „Global-Impact-Jahresbericht“ vom Mai 2021 mit den Worten: „Bislang wird das Gros der Impact-Anlagen weltweit über die Privatmärkte abgewickelt. Unserer Ansicht nach bieten die öffentlichen Märkte allerdings viel weitreichendere Möglichkeiten in einem Umfeld, in dem das Angebot die enorme Nachfrage nach dringend benötigten Lösungen kaum decken kann. Weltweit fehlen jedes Jahr mehrere Billionen US-Dollar, um die UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zu erreichen“.[2]
An der beträchtlichen SDG-Finanzierungslücke bestehen keine Zweifel. Dass diese am besten über Investitionen an öffentlichen Märkten reduziert werden kann, ist angesichts der Natur des Handels auf diesen Märkten allerdings eine ziemlich steile These. So haben die renommierten Wirtschaftsethiker der Universität St. Gallen angesichts des überdurchschnittlichen Wachstums insbesondere von Aktieninvestments in nachhaltige Einzeltitel oder Publikumsfonds schon 2019 geschriebe
[1] International Finance Corporation (2019), Creating Impact – The Promise of Impact Investing, Quelle hier.
[2] BlackRock (2021), Global-Impact Jahresbericht, S. 27.

Um eine Finanzierungslücke zu schließen, muss logischerweise neues Kapital zugeführt werden – und das ist nicht mit Sekundärmarkttransaktionen möglich. Eine vieldiskutierte Alternative zur Allokation von Kapital ist das sogenannte „Engagement“, d. h. eine Einflussnahme durch die Shareholder, die auch Aktienfonds zur Verfügung steht. Es sollte dabei aber klar sein, dass die „Engagement“-Strategie ebenfalls an die oben definierten Rahmenbedingungen für Impact Investing gebunden sein sollte. Somit ist bereits im Voraus zu definieren, worin die Wirkungsziele bestehen, und etwaige Wirkungen sollten kausal auf das eigene „Engagement“ zurückgeführt werden können. Zudem müsste der Wirkungsbeitrag in den im Vorhinein bestimmten „Impact“-Bereichen liegen, und nicht etwa auf einer generellen ESG-Ebene. Bislang scheint jedoch vor allem Letzteres der Fall zu sein. ESG-Fonds erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der Transformation der Wirtschaft. Impact Investing muss davon jedoch als eigener Investitionsansatz unterscheidbar bleiben. Sonst verliert das Gesamtkonzept an Glaubwürdigkeit unter den Anleger:innen.
Bei genauerem Hinsehen besteht auch überhaupt keine Notwendigkeit, Impact Investing im oben genannten Sinne mainstreamkompatibel zu machen. Denn es gibt andere Wege, über die der Anteil von Impact Investments am Gesamtmarkt erhöht werden kann, ohne dabei die Glaubwürdigkeit des Ansatzes aufs Spiel zu setzen. Einen besonders wichtigen hat der Sustainable Finance-Beirat (SFB) der Bundesregierung in seinem Abschlussbericht vom Februar dieses Jahres in den Blick gerückt: Der SFB hat erkannt, dass das große Potenzial von Impact-Produkten für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft nur zu einem geringen Teil mobilisiert wird, weil „Impact“-Produkte in Deutschland nicht zum Publikumsvertrieb zugelassen sind. Die bislang einzige Ausnahme sind Mikrofinanzfonds. In diese können gemäß § 222 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) auch Privatanleger:innen investieren. Die Anwendung von § 222 KAGB auf weitere Impact-Produkte kann dem SFB zufolge dabei helfen, Impact Investing für eine breitere Anlegerschaft verfügbar zu machen und das Potenzial dieser Anlagestrategie für Umwelt und Gesellschaft besser zur Entfaltung zu bringen.[3]
Abbau regulatorischer Hemmnisse für den Vertrieb echter „Impact“-Produkte statt einer scheinbaren Vermehrung des Angebots durch eine Verwässerung des Konzepts und die Herabsetzung von Standards – das ist der Weg, den wir uns für die Zukunft des Impact Investing wünschen.
Eine wichtige Voraussetzung für dessen Umsetzung wurde bereits dadurch geschaffen, dass der SFB laut Koalitionsvertrag vom 24. November 2021 als „unabhängiges und effektives Gremium fortgeführt werden“ soll (S. 171). Hoffen wir, dass er sich nicht zuletzt für diesen Punkt in der gerade angebrochenen Legislaturperiode erfolgreich einsetzen kann!
[1] International Finance Corporation (2019), Creating Impact – The Promise of Impact Investing, Quelle hier.
[2] BlackRock (2021), Global-Impact Jahresbericht, S. 27.
[3] Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung (2021), Shifting the Trillions. Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation, Publikationen – Sustainable-Finance-Beirat