„ESG“ und finanzielle Performance – ein fruchtbares Verhältnis

„Die soziale Verantwortung von Unternehmen ist es, ihren Gewinn zu maximieren“, schrieb der Ökonom Milton Friedman 1970. Mehrere Finanz- und Wirtschaftskrisen hinter uns sowie eine drohende Klimakatastrophe vor uns wissen wir: Das war zu kurz gedacht. Wie eine neue Studie nun nochmals belegt, ist die Doktrin vom „Shareholder Value“ gegenüber „ESG“-integrierenden Ansätzen nicht nur im Hinblick auf ökologische und soziale Belange unterlegen, sondern auch in Bezug auf die finanzielle Performance.

In einem berühmten Artikel für das New York Times Magazin vom 13. September 1970 erklärte Friedman (Wirtschaftsnobelpreis 1976), dass die Rede von der „sozialen Verantwortung von Unternehmen“, der zufolge die Unternehmen auch die Aufgabe hätten, für Beschäftigung zu sorgen, Diskriminierung zu beseitigen oder Umweltverschmutzung zu vermeiden, „lupenreiner Sozialismus“ sei. Der Manager sei allein gegenüber den Aktionären als seinen Arbeitgebern in der Pflicht, deren Gewinn es zu maximieren gelte.1

Die sog. Friedman-Doktrin des „Shareholder Value“ hat mehr als eine Generation von Managern geprägt und tut dies in Teilen noch heute. Vor anderthalb Jahren ist beispielsweise das renommierte Magazin „The Economist“ zu einer Verteidigung des „Shareholder Value“ angetreten.2

Die Doktrin vom „Shareholder Value“ beruht auf einem grundsätzlichen Missverständnis. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien sowie solchen der guten Unternehmensführung („ESG“: Environment, Social, Governance) zu einer Minderung der finanziellen Rendite führt, also ein unvermeidlicher trade-off zwischen den Pflichten gegenüber den Anteilseignern bzw. Investoren und denen gegenüber Gesellschaft sowie Umwelt besteht.

Die Frage zu stellen ist selbstverständlich richtig und wichtig: Wenn Unternehmen oder Vermögensverwalter ihr Handeln nach sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten oder zumindest versuchen, keinen Schaden anzurichten, müssen Aktionär:innen und Investor:innen dann um einen Teil ihrer Rendite fürchten?

Seit sich Nachhaltigkeit in den letzten Jahren immer mehr zu einem Mega-Trend entwickelt hat, wurde eine Vielzahl von Studien zum Verhältnis von ESG und finanzieller Performance durchgeführt, die wiederum in Meta-Studien zusammenfassend ausgewertet wurden. Eine Meta-Studie, die 2015 von Forschern der Universität Oxford zusammen mit Arabesque Asset Management auf der Grundlage von 200 einschlägigen Studien erstellt wurde, kam zu dem Schluss, dass die Implementierung von Nachhaltigkeitspraktiken die Kapitalkosten für Unternehmen senkt, ihre betriebliche Performance verbessert und zudem den Preis ihrer Anteile auf dem Finanzmarkt erhöht.3 Mehr als 2.000 Studien werteten noch im gleichen Jahr Forscher der Universität Hamburg aus. Auch sie konnten belegen, dass es einen klaren „business case“ für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien gibt. In 90 % der Studien fanden sie keine negativen, in den meisten sogar positive Einflüsse auf die finanzielle Performance von Unternehmen.4

Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie, die das NYU Stern Center for Sustainable Business in Zusammenarbeit mit Rockefeller Asset Management erstellt hat, kam nun zu einem ähnlichen Ergebnis.5 Die Autoren werteten über 1.000 Studien aus, die in den Jahren zwischen 2015 und 2020 erschienen sind. Diese teilten sie in zwei Gruppen auf: in Studien mit Fokus auf „corporate financial performance“ und Studien mit Blick auf „investment performance“. Studien zur „corporate financial performance“ wiesen in 58 % der Fälle eine positive Verbindung zwischen ESG und finanzieller Performance auf und lediglich in 8 % eine negative. Bei Studien zur „investment performance“ kamen 59 % zu einem positiven und nur 14 % zu einem negativen Urteil. Darüber hinaus weist die Studie (wie auch bereits die von Arabesque) darauf hin, dass eine ESG-Integration Unternehmen vor verschiedenen Risiken wie beispielsweise Reputationsschäden schützt.

Die genannten Studien zeigen eindeutig: Die Integration von ESG-Kriterien in das Handeln von Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer:innen ist nicht nur aus sozialen und ökologischen Gründen sinnvoll, sondern auch aus finanziellen. Dies dürfte dabei helfen, dass Vorbehalte gegen nachhaltige Investments weiter abgebaut und die Transformation der Real- und Finanzwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit vorangetrieben werden kann.

Zumindest eines ist klar: Ausreden gibt es jetzt keine mehr.

 

1 Milton Friedman. 1970. A Friedman doctrine - The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits: https://www.nytimes.com/1970/09/13/archives/a-friedman-doctrine-the-social-responsibility-of-business-is-to.html

2 Siehe „The Economist“ vom 24. August 2019, Leitartikel: “What Companies are for”.

3 Arabesque Management. 2015. From the Stockholder to the Stakeholder. How sustainability can drive financial outperformance: https://arabesque.com/research/From_the_stockholder_to_the_stakeholder_web.pdf 

4 Gunnar Friede, Timo Busch und Alexander Bassen. 2015. ESG and Financial Performance: Aggregated Evidence from More than 2000 Empirical Studies: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2699610

5 Tensie Whelan, Ulrich Atz, Tracy Van Holt und Casey Clark. 2021. ESG and Financial Performance: Uncovering the Relationship by Aggregating Evidence from 1,000 Plus Studies Published between 2015 – 2020: https://rcm.rockco.com/insights_item/esg-and-financial-performance/

 

25.02.2021

Autor: Moritz Isenmann

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